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Weniger Übergewicht stärkt Wirtschaft und Gesellschaft

 

(Paris/Berlin, 10. Oktober 2019) – In den kommenden dreißig Jahren werden über 90 Millionen Menschen in den OECD-Ländern an Krankheiten sterben, die auf starkes Übergewicht zurückgehen. Übergewicht wird im gleichen Zeitraum die Lebenserwartung um fast drei Jahre reduzieren. Dies ist das Ergebnis einer neuen OECD Studie.

Der Studie „The Heavy Burden of Obesity – The Economics of Prevention zufolge ist in 34 der 36 OECD-Länder mehr als jeder Zweite übergewichtig und fast jeder Vierte krankhaft übergewichtig (adipös). Zwischen 2010 und 2016 ist der Anteil der adipösen Erwachsenen in den OECD-Ländern von 21 auf 24 Prozent gestiegen – ein Zuwachs von 50 Millionen. In Deutschland ist knapp jeder vierte Erwachsene adipös, in Österreich und der Schweiz etwa jeder fünfte Erwachsene.

Der Trend zu starkem Übergewicht zeigt sich auch bei Kindern – und er trifft sie besonders hart. Übergewichtige Kinder schneiden statistisch in der Schule schlechter ab, haben höhere Fehlzeiten und geringere Chancen auf einen höheren Bildungsabschluss. Auch zeigen sie eine geringere Lebenszufriedenheit und werden bis zu drei Mal häufiger gemobbt als nicht übergewichtige Gleichaltrige, was möglicherweise zu ihrer schlechteren Schulleistung beiträgt. In Deutschland werden adipöse Mädchen fast vier Mal häufiger zu Mobbingopfern, Jungen bis zu drei Mal häufiger. Damit kommt Mobbing aufgrund von starkem Übergewicht bei Kindern in Deutschland überdurchschnittlich häufig vor.

Adipöse Erwachsene haben eine niedrigere Lebenserwartung und ein erhöhtes Risiko für chronische Krankheiten wie Diabetes. Mit Blick auf die 28 EU-Länder zeigt sich ein deutlicher Zusammenhang zum Einkommen: Frauen und Männer der untersten Einkommensgruppe entwickeln im Vergleich zu Frauen und Männern der höchsten Einkommensklasse mit 90 bzw. 50 Prozent höherer Wahrscheinlichkeit krankhaftes Übergewicht. Menschen, die an mindestens einer mit Übergewicht in Zusammenhang stehenden chronischen Krankheit leiden, haben eine acht Prozent geringere Wahrscheinlichkeit, im Lauf des Folgejahres eine Anstellung zu finden. Wer eine Stelle hat, fehlt mit 3,4 Prozent erhöhter Wahrscheinlichkeit häufiger bei der Arbeit bzw. ist weniger produktiv.

„Es gibt ganz klare ökonomische und gesellschaftliche Gründe dafür, dem Trend zu krankhaftem Übergewicht eine Politik entgegenzusetzen, die eine gesündere Lebensweise fördert“, sagt OECD-Generalsekretär Angel Gurría. „Die Studienergebnisse zeigen, wie sehr wir eine Sozial-, Gesundheits- und Bildungspolitik brauchen, die das Leben der Menschen verbessert. Mit echter Präventionspolitik können wir verhindern, dass sich der Trend zu krankhaftem Übergewicht in den kommenden Generationen fortsetzt. Davon wird auch die Wirtschaft profitieren. Für Untätigkeit gibt es keine Entschuldigung mehr.“

Bereits jetzt entfallen 8,4 Prozent der Gesundheitsausgaben in den OECD-Ländern auf die Behandlung von Krankheiten, die mit starkem Übergewicht in Zusammenhang stehen. Das entspricht in etwa 311 Milliarden US-Dollar bzw. 209 US-Dollar pro Kopf. Deutschland liegt mit 10,7 Prozent der Gesundheitsausgaben noch weit darüber und gibt zusammen mit den Niederlanden und den USA unter allen OECD-Ländern am meisten für die Behandlung der Folgen von Übergewicht aus. Der Studie zufolge verursacht Adipositas in den OECD-Ländern statistisch gesehen 70 Prozent der Diabetes-Behandlungskosten, 23 Prozent der Behandlungskosten für Herzkreislauferkrankungen und 9 Prozent der Krebs-Behandlungskosten.

Die Daten der OECD zeigen auch, wie sehr sich Prävention auszahlt. Dazu gehören beispielsweise eine bessere Kennzeichnung von Lebensmitteln und strengere Regeln für Werbung, die ungesunde Lebensmittel für Kinder anpreist. Jeder Dollar, der in präventive Maßnahmen gesteckt wird, zahlt sich mit sechs Dollar an Einsparungen oder wirtschaftlichen Vorteilen wieder aus.

Wenn der Kaloriengehalt von energiereichen Nahrungsmitteln wie Chips und Süßwaren um 20 Prozent reduziert würde, könnten über eine Million chronische Erkrankungen jedes Jahr vermieden werden – darunter insbesondere Herzkrankheiten. Mit Initiativen, die auf die gesamte Bevölkerung zielen – etwa Nährwertinformationen auf Nahrungsmitteln und Speisekarten, aber auch mediale Kampagnen – könnte man erreichen, dass in den 36 untersuchten Ländern bis 2050 zwischen 51.000 und 115.000 Menschen weniger an den Folgen von krankhaftem Übergewicht sterben. Das entspräche etwa der Verhinderung aller Straßenverkehrstoten in den 28 EU-Ländern bzw. den OECD-Ländern. Allein Angaben in Speisekarten könnten sich zwischen 2020 und 2050 mit Einsparungen von bis zu 13 Milliarden US-Dollar bezahlt machen.

Erfolgreiche Kampagnen, etwa über die Massenmedien, würden durch verbesserte Gesundheit dazu beitragen, dass etwa 28.000 zusätzliche Menschen am Arbeitsleben teilnehmen und 22.500 weitere Menschen geringere Fehlzeiten haben und damit produktiver sind. Insgesamt könnte jährlich ein Produktivitätsverlust wettgemacht werden, der etwa 1,92 Milliarden US-Dollar (kaufkraftbereinigt) entspricht.

 

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