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Deutschlands Rückkehr zu starkem, robustem und nachhaltigem Wachstum erfordert zukunftsorientierte Investitionen und Reformen

 

Die Coronapandemie und die Energiekrise haben strukturelle Schwachstellen in der Wirtschaft aufgedeckt, die für Deutschland die Notwendigkeit unterstreichen, die Energieversorgungssicherheit zu erhöhen, die staatliche Verwaltung zu modernisieren, zu digitalisieren und zu vereinfachen, den Fachkräftemangel anzugehen und gleichzeitig die Investitionen in den grünen und digitalen Wandel zu steigern. Dies zeigt der heute erschienene OECD-Wirtschaftsbericht Deutschland 2023.

 

Deutschlands Wirtschaftsaufschwung nach der Coronapandemie ist durch die globale Energiekrise ins Stocken geraten. Deutschlands Rückkehr zu starkem, robustem und nachhaltigem Wachstum erfordert zukunftsorientierte Investitionen und Reformen, um die grüne und digitale Transformation der Wirtschaft zu beschleunigen und gleichzeitig die wirtschaftlichen Implikationen der rapiden Bevölkerungsalterung anzugehen.

 

Durch eine Stärkung der öffentlichen Governance und Bürokratieabbau können die Investitionen angekurbelt werden, auch in die ökologische und digitale Transformation der Wirtschaft. Außerdem braucht es bessere Bildungsergebnisse, stärkere Anreize für die Teilnahme am Erwerbsleben und umfassendere Bildungsangebote für Erwachsene, um den wirtschaftlichen Auswirkungen der Alterung der Erwerbsbevölkerung entgegenzuwirken.

 

„Deutschland muss die grüne Energiewende und die digitale Transformation der Wirtschaft und der öffentlichen Verwaltung beschleunigen. Gleichzeitig verschärft die rasche Bevölkerungsalterung den Arbeitskräftemangel und erhöht den Ausgabendruck“, erklärte OECD-Generalsekretär Mathias Cormann bei der Vorstellung der Studie in Berlin zusammen mit Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck und Umweltministerin Steffi Lemke. „Um diese Herausforderungen effektiv und fiskalisch tragfähig zu bewältigen, braucht es sinnvoll priorisierte und zielgenaue öffentliche Investitionen.“

 

„Was die Umwelt betrifft, sprechen sowohl der Wirtschaftsbericht als auch der Umweltprüfbericht eine klare Sprache: Deutschland sollte Kurs halten und weitere Maßnahmen ergreifen, um den Kampf gegen den Klimawandel ehrgeizig und wirksam voranzutreiben. Für Deutschland als global ausgerichtete Exportnation ist es wichtig, dass ein weltweit kohärenterer Ansatz zur CO2-Minderung gefunden wird, der bei gleichzeitiger Anerkennung der internationalen Vielfalt global wirksam zur Emissionsreduzierung beiträgt und Wettbewerbsverzerrungen sowie die Verlagerung von CO2-Emissionen zwischen Ländern vermeidet“, so Cormann weiter.

 

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine löste einen dramatischen Anstieg der Energiepreise aus. Dadurch wurde die Inflation angeheizt, die Kaufkraft der privaten Haushalte geschmälert und die Konjunktur geschwächt. Mittlerweile hat sich das Anleger- und Verbrauchervertrauen wieder stabilisiert. Dies ist den gut konzipierten Strom- und Gaspreisbremsen und einem Rückgang der Energiepreise zu verdanken. Begünstigt wurde diese Entwicklung durch Gaseinsparungen aufgrund des milden Wetters und die Diversifizierung der Energiebezugsquellen durch die neuen Flüssiggasterminals. Die Unsicherheit ist jedoch nach wie vor hoch.

 

Für 2023 geht die Studie von einem BIP-Wachstum von 0,3 Prozent aus. 2024 dürften eine Entspannung der Lieferketten, ein hoher Auftragsbestand und eine anziehende Exportnachfrage dafür sorgen, dass das BIP-Wachstum wieder auf 1,3 Prozent steigt. Die Inflation dürfte 2023 im Schnitt bei 6,6 Prozent liegen, da die Unternehmen nach wie vor ihre höheren Inputkosten an die Verbraucher:innen weitergeben und der Lohndruck hoch bleibt. Um den Inflationsdruck zu reduzieren, sollte die Bundesregierung darauf achten, das Staatsdefizit zu begrenzen. Schwachstellen im Finanzsektor sollten genau überwacht werden.

 

Für die Beschleunigung der ökologischen und digitalen Transformation und die Bewältigung des Infrastrukturstaus sind erhebliche öffentliche Mittel erforderlich. Die Steuern und Abgaben auf Erwerbseinkommen sind in Deutschland höher als in den meisten anderen OECD-Ländern. Sie sollten daher insbesondere für Gering- und Zweitverdienende gesenkt werden, um das Arbeitsangebot zu erhöhen. Die Steuereinnahmen aus Erbschaft-, Kapitalertrag- und Grundsteuern sind im Vergleich zu anderen OECD-Ländern niedrig. Die Studie empfiehlt daher, die Grundsteuern anzuheben und Steuervergünstigungen und -befreiungen für Einkünfte aus dem Verkauf und der Vermietung von Immobilien sowie Erbschaftsteuerbefreiungen für Betriebsvermögen abzubauen. Die Qualität der öffentlichen Ausgaben könnte durch größere Zielgenauigkeit und bessere Wirkungsanalysen gesteigert werden. Zudem könnten die Haushaltsregeln flexibler gestaltet werden, um die nötigen Investitionsausgaben zu ermöglichen.

 

Seit den 2000er Jahren ist aufgrund einer schwachen Binnennachfrage und geringen unternehmerischen Dynamik privates Kapital aus Deutschland abgeflossen. Die öffentliche und private Investitionstätigkeit ist im Vergleich zu vielen anderen OECD-Ländern niedrig. Eine Modernisierung und Straffung der Verwaltungsprozesse, insbesondere bei der Infrastrukturplanung, eine Harmonisierung der IT-Standards der verschiedenen staatlichen Ebenen und eine bessere Förderung von Forschung und Entwicklung (FuE) würden helfen, die Investitions- und Innovationstätigkeit zu beleben. Die Studie fordert auch, den wettbewerbsrechtlichen Rahmen zu stärken und den Zugang zu Finanzierung für junge Unternehmen zu verbessern. Das neue Lobbyregister könnte durch eine sogenannte legislative und regulatorische Fußspur ergänzt werden, um wettbewerbshemmende Lobbyaktivitäten transparenter zu machen.

 

Deutschland muss die Energiewende beschleunigen, um wie geplant bis 2045 klimaneutral zu werden. Durch die hohen Energiepreise und die Notwendigkeit, Energieimporte aus Russland zu ersetzen, ist der Handlungsbedarf noch dringender geworden. Die Emissionsbepreisung könnte gestärkt werden, indem eine Emissionsobergrenze im nationalen Emissionshandel eingeführt wird, die sich an den Klimazielen orientiert. Außerdem sollte Deutschland umweltschädliche Subventionen und Steuervergünstigungen abschaffen und die Förderung grüner FuE ausweiten. Raschere Planungs- und Genehmigungsverfahren, die auch Biodiversitätsaspekte berücksichtigen, würden grüne Investitionen schneller voranbringen.

 

Die strengere CO2-Bepreisung sollte durch die Förderung der öffentlichen Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge, höhere Investitionen in Schienen- und Stromnetze und striktere Energieeffizienzstandards für den Gebäudebestand ergänzt werden. Die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung könnten genutzt werden, um einkommensschwache Haushalte zu unterstützen und die aktive Arbeitsmarktpolitik zu verbessern. Dies würde das Wachstum fördern und verhindern, dass die Klimawende den sozialen Zusammenhalt schwächt.

 

Der parallel zum Wirtschaftsbericht veröffentlichte Umweltprüfbericht Deutschland 2023 konstatiert, dass Deutschland seine Emissionsminderungsziele für 2020 eingehalten hat. Dennoch müsse die Bundesregierung die Umsetzung der Klimamaßnahmen beschleunigen, um ihre Ziele für 2030 und 2045 zu erreichen. Die Bemühungen zur Emissionsminderung im Verkehrs- und Gebäudesektor sollten sich weniger auf Einzelmaßnahmen wie zum Beispiel umweltfreundlichere Autos konzentrieren. Vielmehr sollten sie in eine integrierte nachhaltige Mobilitätsstrategie münden.

 

Die Bereiche Landnutzung und Forstwirtschaft bergen erhebliches Potenzial für die Erfüllung der nationalen Klimaziele. Die im Rahmen des Aktionsprogramms Natürlicher Klimaschutz geplanten Synergien zwischen Klima- und Naturschutz sind von entscheidender Bedeutung, da wegen des Biodiversitätsverlusts ein Drittel der Arten in Deutschland in ihrem Bestand gefährdet sind.

 

In der Studie wird lobend hervorgehoben, dass Deutschland in den vergangenen zehn Jahren trotz seines großen Industriesektors und der hohen Bevölkerungsdichte einige Umweltbelastungen reduzieren konnte. Die Luftqualität hat sich insgesamt verbessert, in städtischen Räumen waren die Fortschritte jedoch geringer. Bei der Abfallbewirtschaftung zählt Deutschland zu den OECD-Ländern mit den besten Ergebnissen. Es muss jedoch mehr getan werden, um die Siedlungsabfälle pro Kopf zu verringern.

 

Deutschland ist zunehmend den Auswirkungen des Klimawandels – von Hochwasser bis Hitzewellen – ausgesetzt. Zwischen 2005 und 2021 zählte es zu den OECD-Ländern mit den höchsten Schäden durch Klimagefahren je BIP-Einheit. Die Exposition gegenüber Klimarisiken sollte regelmäßig geprüft werden, um die Resilienz gefährdeter Kommunen zu stärken.

 

Auf der OECD-Website finden Sie einen Kurzüberblick des Wirtschaftsberichts mit zentralen Erkenntnissen und Charts(dieser Link kann in Medienberichten verwendet werden).

 

Anfragen von Medienvertreter:innen können an Nadja Nolting im OECD Berlin Centre (+49 30 288835 43) oder das Pariser OECD Media Office (+33 1 45 24 97 00) gerichtet werden.

 

Die OECD ist ein globales Forum, das mit über 100 Ländern zusammenarbeitet. Sie tritt ein für eine Politik, die die individuellen Freiheiten wahrt und das wirtschaftliche und soziale Wohlergehen der Menschen weltweit fördert.

 

 

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